Das Wie

Wer Früchte ernten will, der muss blühen.

Ökologische Landwirtschaft

Diese kurze Analyse zeigt die Probleme, die jeden Menschen betreffen, da sie sein Leben nicht nur jetzt, sondern das seiner Kinder in der Zukunft bedrohen. Eine Lösung muss sowohl global, aber auch regional erfolgen, braucht Überblick und den Blick auf das kleine Detail des alltäglichen Lebens. Jeder Mensch steht in der Verantwortung für das Leben auf dieser Welt.

Als eine Einrichtung, die in einer pädagogischen Verantwortung steht, stehen diese Probleme auch im Mittelpunkt unseres Auftrags, die Kinder auf ein Leben in der Zukunft vorzubereiten. Dies heißt, ihnen nicht nur einen verantwortlich bewussten Umgang mit der Natur zu vermitteln, sondern sie auch auf die die zu erwartenden Folgen vorzubereiten. Extrapoliert man die aktuellen Entwicklungen, dann werden sich die Lebensbedingungen auf dieser Welt massiv verändern, nicht nur was die Umwelt angeht, sondern auch das gesellschaftliche Lebenskonzept der letzten Jahrzehnte, wird so nicht in der Zukunft weiterbestehen. Andere Haltungen, Lebenseinstellungen und Fähigkeiten werden erforderlich sein, um in einer zukünftigen Welt nicht nur zu „überleben“, sondern ein Leben in Würde leben zu können.

Verantwortung

Vielen Menschen werden die dargestellten Probleme bewusst – sie sind zentrales Thema bei vielen Gesprächen. Doch erleben wir auch eine große Hilflosigkeit, doch vor allem einen tiefen Konflikt:  den eigenen Lebensstil nachhaltig zu verändern, was konkret bedeutet, eigene Konsum-Vorteile zu schmälern. Sich zu verändern und auch sich einzuschränken, ist der Prüfstein der Verantwortung: bleibt sie nur auf der Ebene von Absichten? Verantwortung heißt: tätig zu werden, wofür man sich verantwortlich fühlt.

Stellt man sich dieser Erkenntnis, dann wird es ernst, ob man bereit ist, aufzubrechen und sich auf den Weg zu machen. Wir haben jedoch immer wieder erlebt: am nächsten Morgen verdrängt der Alltag die Erkenntnis des Vortags; die hehren Absichten versickern wie Wasser im trockenen Sand des Alltags, ohne Wurzeln zu schlagen.

Mitgefühl und Ehrlichkeit

Eine Triebfeder für Veränderungen ist das Mitgefühl mit den leidenden Lebewesen in der industriellen Landwirtschaft, das in einer fleischlosen Ernährung seinen Ausdruck finden kann. Damit wird eine wesentliche Bedingung für Veränderungen deutlich: rationale Analysen bleiben abstrakt, wenn nicht Erlebnisse und Emotionen hinzukommen. Diese Gedanken münden in die Aussage: „ich will nur das Fleisch von dem Tier essen, das ich auch bereit bin, selbst zu schlachten.“ Dahinter steht das Prinzip Ehrlichkeit, was auch beinhalten würde, den eigenen Kindern zu sagen: „durch meinen Lebensstil, meinen Konsum und meine Reisegewohnheiten mindere ich euer zukünftiges Leben.“

Hinter dieser Ehrlichkeit steht die Bereitschaft, die Nebenwirkung des eigenen Tuns auf andere nicht nur anzusehen, sondern auch zu verantworten. Dies nicht zu tun, ist das Wesen von Egoismus: „die Folgen meiner Vorteile auf dein Leben sind mir egal“.

Ohnmacht

Stellt man sich diesen Erkenntnissen, dann wird auch schnell bewusst, dass viele Menschen in größeren Systemen gefangen sind, denen sie nicht entkommen können. Ein Landwirt kann durchaus die Nebenwirkung seiner Art von Wirtschaften auf die Natur erkennen, doch hat er keine wirkliche Freiheit, etwas zu verändern, ohne seine eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. Den ökologischen Umbau kann er nicht schaffen, sei es finanziell, aber auch weil ihm dazu das erforderliche Knowhow fehlt.

In diesem Dilemma fühlen sich viele Menschen gefangen, wie Reisende auf der Titanic, die offenen Auges auf den Eisberg zufährt. Dieses Gefühl der ohnmächtigen Ausgeliefertheit, gepaart mit Argumenten, warum keine Veränderungen möglich sind und alles nicht so schlimm ist, wollten wir nicht länger.

Heilende Beziehung

Die Erkenntnis, dass hinter allen ökologischen Problemen und Krisen, letztlich die Objektivierung des Natürlichen steht, hat unseren Weg geprägt. „Ökologie“ ist mehr ist als nur das Einhalten von Anbaunormen, es ist eine Lebenshaltung, die sich in allen Beziehungen ausdrückt, nicht nur in den Bereichen, die dem Ökokontrollverfahren unterliegen. Was ist aber das Wesen einer ökologisch bewussten Beziehung?

Die Partnerschaftlichkeit, d. h. das Gegenüber nicht als Objekt, sondern als Subjekt zu sehen. Damit wird das Gegenüber zu einem DU, einem freien Wesen, das man nicht beherrscht oder ausbeutet, sondern mit dem man kooperiert und dem man seine eigenen Lebensrechte zugesteht.

Dies ist leicht gesagt, doch stellt sich die Frage, wie ist dies in unserer Zeit zu verwirklichen, ohne in Naturromantik abzuheben, die letztlich wirkungslos bleibt? Damit verbunden war eine zweite wesentliche Erkenntnis über das Gehen.

Visionen und Kompromisse

Visionen sind eine feine Sache, denn sie geben den Kurs vor. Doch beinhalten sie auch eine große Gefahr: sie machen einem bewusst, wie weit der Weg noch ist und wie weit entfernt man noch vom Ziel ist. Dies führte uns zur Frage, ob überhaupt ein Weg möglich ist, der sich an globalen Zielen orientiert, oder sich die Ziele sehr viel kleiner aus den alltäglichen kleinen Schritten ergeben. Damit verbunden war eine prägende Erfahrung mit Menschen, die hochdifferenziert die Probleme erkannten, doch nicht bereit waren, alltägliche Kompromisse einzugehen. Der Blick auf das ferne Ziel kostet viel Kraft und nimmt einem die Möglichkeit, sich über ganz kleine Fortschritte freuen zu können. Verantwortung heißt, den ersten Schritt zu wagen und sich von Rückschlägen und Umwegen nicht entmutigen zu lassen.

Damit war klar: wir können kein ideales Konzept formulieren, sondern wir müssen im Alltag unseren Kompromiss immer wieder neu finden und entscheiden. Wir sind auch Teil dieser Welt und tragen auch zu den Nebenwirkungen bei. Die Grundlage ist, sich der Nebenwirkung des eigenen Tuns bewusst zu werden, was bedeutet, sich auch bewusst zu werden, wo wir unsensibel, unachtsam und leichtfertig, den bequemeren und oft auch den billigeren Weg wählen.

Bezogene Lebenshaltung

Die Volksweisheit bringt eine tiefe Erkenntnis auf den Punkt: „alleine ist es selbst im Paradies nicht schön.“ Ohne Beziehung sind Kostbarkeiten langweilig, öde und leer; umgekehrt wird Einfaches zur einem köstlichen Erlebnis, wenn es in eine Beziehung eingebettet ist. Bezogenheit ist mehr Gesellschaft, es ist die innere Beziehung zum Gegenüber, wobei alles zu einem Gegenüber, zu einem Subjekt werden kann.

Dieses Bewusstsein wandelt das Huhn zu einem Partner, mit dem man kooperiert und zu dem man eine persönliche Beziehung lebt. Bei unseren Kindern hat es auch einen Namen. Damit wird das Frühstücksei zu einem besonderen Erlebnis und herausgehoben aus der unbewussten Welt anonymer Konsumobjekte.  Wer kennt nicht die Erfahrung, wie anders eine Marmelade schmeckt, wenn sie ein lieber Mensch für uns bereitet hat. Dies gilt auch für den Honig auf dem Frühstückstisch. Er schmeckt anders, wenn er von den kleinen „Mitarbeitern“ stammt, die auch noch Blüten im eigenen Obstgarten bestäuben.

Viele Beispiele lassen sich für diesen veränderten Blick anführen, nicht nur beim Essen, sondern in allen Bereichen des eigenen Beziehungsraumes. Es ist ein großer Unterschied, mit einem Schrank zu leben, zu dem man eine persönliche Beziehung hat und der kein millionenfach von Automaten gefertigtes Massenprodukt ist. „Mein Schrank“ ist ein individuelles Wesen, dessen Lebens-geschichte ich kenne und zu dessen „Schöpfer“ ich eine Beziehung habe. Diese Art von Möbel haben wir „Du-Möbel“ genannt, denn es sind Wesen, die das eigene Leben wie ein Partner bereichern und mit denen man viele Erlebnisse, oft aus der eigenen Kindheit verbindet. Man tauscht sie nicht alle paar Jahre aus, sondern sie begleiten einen oft über Generationen hinweg.

Wer sich auf diesen bewussten Lebensstil einlässt, für den wandelt sich der Alltag in eine Fülle bereichernder Begegnungen. Ökologie ist für uns das Programm einer bewussten Beziehung zur Natur, es ist kein alternativer Ernährungsstil, sondern eine Ethik der Beziehung.

Wir verstehen dies nicht als Ideologie, sondern als Lebensqualität. Wer sich auf diesen Weg macht, dem wird erst bewusst, wie entleerend und letztlich lebensmindernd der beziehungsleere Massenkonsum ist. Die Ursache dieser schweren Krankheit ist, den Menschen in ein abhängiges Konsum-Wesen zu wandeln, zu einem Objekt von größeren Interessen, die uns durch geschickte Werbung abhängig machen wollen: wir haben gefügig – wie Objekte – zu konsumieren. Die Scheinfreiheit besteht nur in der Wahl zwischen Dutzenden von Joghurtsorten, die von Geschmacksdesignern industriell gefertigt wurden.

Damit wird der enorme Gewinn eines subjektiv-bewussten Lebensstils erkennbar: die heilende Kraft, sich als freies Subjekt zu erleben und nicht als ein abhängiges, unfreies Objekt, als ein Konsumautomat. In unserem Grundgesetz steht die Würde an erster Stelle. Würde hat nur ein Subjekt. Den Menschen zu einem Konsum-Objekt zu entseelen, nimmt ihm seine Würde.

Umsetzung

Sich der z.T. irreversiblen globalen Auswirkungen der Konsumgesellschaft auf die Natur und den Menschen bewusst zu werden, entmutigt, wenn man die eigenen Möglichkeiten zur Veränderung dagegen setzt. Die Augen zu verschließen und den bequemen Weg weiterzugehen, ist jedoch auch keine Alternative, für das eigene Gewissen und für eine verantwortungsvolle Pädagogik. Es ist wie mit dem Rauchen; wer den Entschluss nicht sofort in seinem Alltag umsetzt, der wird es nicht schaffen.

Das Ziel: soziale und ökologische Landwirtschaft

Wir wollten nicht nur eine kleine romantische ökologische Insel bauen, sondern langfristig Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für unsere Kinder schaffen, die über kein Zuhause verfügen und die sich auf dem allg. Arbeitsmarkt schwer tun.

Damit standen wir vor der Herausforderung, etwas aufzubauen, was auch einen Ertrag abwirft.

Mit dem Entschluss etwas anzupacken, wird man jedoch schnell mit den tiefgreifenden strukturellen Problemen der Landwirtschaft konfrontiert, die kleine Betriebe zum Aufgeben zwingt und industrielle Großbetriebe begünstigt.

Uns wurde schnell klar, dass eine Beschäftigung von Bedürftigen Menschen in einer industriellen Landwirtschaft nicht möglich ist.

So begannen wir im Kleinen unseren Weg zu gehen, auch wenn wir von den umliegenden Bauern belächelt wurden. Uns war klar, dass wir nicht alles in Lehrbüchern lernen konnten, sondern selbst Erfahrungen sammeln müssen, denn wir betraten ein neues Terrain, in dem wir keine Vorerfahrungen hatten. Auch war es schwierig, anpackende Mitarbeiter zu finden, die unsere Lebenshaltung „verkörperten“. Die Arbeit auf dem Feld ist mühevoll und schweißtreibend – romantische Garten-Ideologien, wie wir sie auch im Umfeld von Permakultur erleben mussten, erwiesen sich schnell als Ideologie.

Es galt eine Nische zu finden, die auch mit wenigen Hektar Fläche auf soliden Beinen steht. Dies konnten wir nur im Bereich eines Gartenbaubetriebs erreichen, der sich auf Sonderkulturen, Obst und Beerenobst spezialisiert. Damit stand das grobe Ziel fest.

Lernen

So machten wir uns auf den Weg, uns von Experten im Obstbau beraten zu lassen und wir besuchten die Lehranstalten in diesem Bereich, aber auch ein paar Betriebe. Das Ergebnis war ernüchternd: für die Experten waren wir Laien und Anfänger, die am besten die Finger davon lassen sollten.  Die Materie des Obstbaus sei komplex, so dass man sie nur mit viel Erfahrung und Wissen meistern könne. Wenn, dann sollten wir mit ein paar Apfelbäumen beginnen und damit Erfahrungen sammeln. Wir wurden in die Ecke von Hobbygärtnern gestellt.

Es blieb uns nichts anderes übrig, als selbst Experten zu werden. Das Problem des Lernens bei natürlichen Prozessen sind die langen Wachstumszyklen. Es dauert Jahre, bis die Folgen der eigenen Entscheidungen sichtbar werden und man lernend etwas verändern kann. Dies ist auch das Dilemma, in dem der Umweltschutz steht.

Mut zum Risiko

Trotz aller Einwände entschieden wir uns zu keinem kleinen, sondern zu einem großen Schritt.

Schnell wurden wir auch mit den Problemen im ökologischen Landbau konfrontiert, speziell mit einem neuen Schädling, der Kirschessigfliege, der ohne herkömmlichen Pflanzenschutz nur schwer beizukommen ist. Zum Glück fanden wir einen Obstbaubetrieb mit Baumschule, der uns beriet und uns auch Mut machte. So packten wir es an, studierten Lehrbücher des Obstanbaus und machten einen Pflanzplan, der auf unsere Anbauflächen abgestimmt war. So pflanzten wir ca. 8000 Bäume und Sträucher. Unser Ziel war keine Monokultur, sondern eine große Produktvielfalt für den regionalen Markt.

„Bio-Siegel“

Von Anfang an stand fest, unsere Landwirtschaft nach nach ökologischen Prinzipien zertifizierten zu lassen. Dies war anfänglich ein sehr vages Ziel, von dem wir keine konkreten Vorstellungen hatten. Je mehr wir uns in diese Materie einarbeiteten, wurde klar, dass wir es mit einem sehr rigiden und in Bereichen kleinlich anmutenden Regelwerk zu tun hatten. Aus der Sichtweise des Verbraucherschutzes wurde uns dies klar, doch fanden wir darin wenig von unseren Idealen und unserer Beziehungs-Ethik. Es ging ums kleine Detail.

Bedeutend wurde für uns schnell die Erkenntnis, dass wir keine herkömmlichen Mittel der Pflanzenstärkung und des Pflanzenschutzes anwenden dürfen, sondern auf biologische Prinzipien bauen müssen. Auch mussten wir lernen, dass es im Ökolandbau kein Unkraut, sondern nur Beikräuter gibt und, dass wir Wege finden müssen, wie sich Pflanzen auch gegenseitig positiv beeinflussen können.

Es ging darum, nicht gegen, sondern mit der Natur zu „leben“.

Damit waren wir mitten in unserer Vorstellung, die Natur nicht als ausbeutbares Objekt, sondern als Partner, als Subjekt, zu verstehen.